155,1 km mit 5500 Höhenmetern vor wunderschöner Kulisse in den Schweizer Bergen – und dann auch noch vier Disziplinen: Schwimmen, Rennrad, MTB und Berglauf – ist doch genau mein Ding.
Das Teilnehmerfeld ist auf 333 Starter limitiert und die Veranstaltung war in den letzten Jahren schnell ausgebucht. Also galt es am Anmeldestart am 3.3. um 3:33 Uhr rechtzeitig den Wecker zu stellen, um einen der begehrten Plätze zu ergattern.
Die Freude war groß, als die Anmeldebestätigung einging, aber danach stand auch ein geändertes Training auf den Plan: nicht nur mein geliebtes Radfahren, sondern auch Laufen und Schwimmen. Die Schwimmvorbereitungen im Hallenbad, Kanal und Badeweiher liefen gut. Aber wo trainiert man vor meiner Haustür den Berglauf? Beim Laufen in der Haard und auf den Halden sind selten mehr als 800 Höhenmeter zusammen gekommen.
Einen Tag vor dem eigentlichen Wettkampf mussten schon die Räder und Laufsachen an dem verschiedenen Orten platziert werden: das Rennrad in Oberhofen am Thunersee, das Mountainbike in Grindelwald und die Laufschuhe in Stechelberg. Zeit, bei herrlichem Wetter die tolle Aussicht auf die schneebedeckten Berge zu genießen. Die Wetteraussichten für den Wettkampftag sind nicht so prickelnd: bewölkt, um die 10°C und am späten Nachmittag Regen.
Beim Einchecken wurde schon mitgeteilt, dass das Schwimmen nicht stattfinden kann. Die Wassertemperatur beträgt unter 15°C. Stattdessen wird es eine Laufrunde über 3 km Länge zu Beginn geben.
Am Wettkampftag war frühes Aufstehen angesagt. Um 6:15 Uhr war „Einschiffen“ am eigentlichen Schwimmstart in Thun. Das Schiff brachte die Teilnehmer nach Oberhofen zum Laufstart. Pünktlich um 7:15 Uhr viel der Startschuss. Ich war motiviert und habe mich recht weit vorne in den Startblock gestellt. Wenn andere wie der Teufel loslaufen, renne ich halt hinterher. Ein Blick auf den Pulsmesser verrät, dass ich jetzt schon im roten Bereich bin. Die 3 km Runde führte bis zur ersten Wechselzone. Der Wechsel auf das Rad gelingt schnell. Es gibt ja auch keinen nassen Neoprenanzug, der die Sache erschweren würde. Die kurze Laufrunde bedeutet aber auch, dass die gesamte Meute kompakt auf die Radstrecke geht – Windschattenfahren ist verboten. Nach einem Kilometer geht es aber gleich bergauf Richtung Beatenberg. Genauso schnell bereue ich meine Wahl für das Triathlonrad. Ich habe mich am Vortag schon gewundert, warum fast alle mit normalen Rennrädern und kleinen Triathlonaufsätzen eingecheckt haben. Bergauf ist das Triathlonrad ein echter Nachteil. Ich werde ständig überholt.
Nach 19 km ist endlich der erste Pass erreicht und es geht brutal schnell hinunter nach Interlaken. Auch hier vermittelt das Triathlonrad kein gutes Gefühl. Die Sitzposition ist stark kopflastig. Beim scharfen Bremsen spüre ich, wie das Hinterrad den Bodenkontakt verliert. Gut das der Asphalt trocken ist. Endlich unten am See angekommen kann ich nun die Stärken des Rads ausspielen. Die nächsten 38 km sind relativ flach. Mit der aerodynamischen Position mache ich wieder Plätze gut. In Meiringen ist die Flachpassage vorbei. Ab jetzt geht es 18 km hinauf zum Grossen Scheidegg auf 1962 Meter über dem Meer. Die viel zu dicke Übersetzung am Rad zwingt mich schon früh aus dem Sattel zu gehen und das Rad im Wiegetritt nach oben zu wuchten. Der Puls ist schon viel zu lange im roten Bereich. Jetzt bloß nicht absteigen! Endlich im Nebel taucht der Pass auf und es geht wieder hinab nach Grindelwald. Der Asphaltstraße ist im schlechten Zustand und nicht abgesperrt. Es muss jederzeit mit Gegenverkehr gerechnet werden. Nach einem Kilometer Anfahrt übersehe ich ein Schlagloch. Der heftige Schlag verdreht den Lenker zwei Zentimeter nach unten. Glücklicherweise bleibt sonst alles heil. Ich nehme etwas raus und orientiere mich an die Fahrlinie der anderen Teilnehmer. Soviel Zeit muss sein.
In Grindelwald steht der Wechsel auf das Mountainbike an – meiner Paradedisziplin. Tolle Organisation in der Wechselzone. Am Balken für das Ende der Radstrecke wird einem das Rennrad abgenommen und man kann unbelastet zum MTB wechseln. Die Mountainbikestrecke ist mit 30 km nach meinem Geschmack etwas zu kurz, aber mit 1180 m Steigung nicht zu unterschätzen. Es geht hinauf zum Kleinen Scheidegg. Die letzten Meter vor dem Pass sind dann doch für die 1×11 Übersetzung zu steil und ich schiebe ein kurzes Stück. Ist auch nicht langsamer. Oben angekommen geht es über breite, geschotterte Wege hinunter nach Wengen. Wanderer zwingen mich zum Spurwechsel und Zisch, die Luft ist augenblicklich aus dem Hinterrad entwichen. Der scharfe Schotter hat die Seitenflanke aufgerissen. Naja, ich hab ja Pannenspray dabei. Bei dem Riss verpufft die Wirkung aber. Das Loch ist zu groß. Also doch einen Schlauch einziehen. Jetzt habe ich aber nur noch die Minipumpe. Die schafft glatte 10 ml pro Hub. Wie viel Hübe braucht man dann, um einen 29er MTB-Reifen zu füllen? – Egal, mir bleibt ja eh nichts anderes übrig. Nach einer gefühlten Viertelstunde Pumparbeit muss der Druck von knapp unter 1 bar für den Rest der Abfahrt reichen und die hat es im unteren Bereich Richtung Lauterbrunnen durchaus in sich: Wurzelpassagen, ausgewaschene Rinnen und spitze Kehrwenden mit viel losem Schotter fordern höchste Konzentration. Bis zur nächsten Wechselzone in Stechelberg geht aber alles gut.
Nun die letzte Disziplin und meine große Unbekannte: der Berglauf. Aber wo geht es hier überhaupt rauf? Rechts und links des Tales sind senkrechte Felswände, die gern von Basejumper genutzt werden. Der Weg führt zunächst leicht fallend zurück nach Lauterbrunnen. Ideal damit sich die Beine vom Radfahren auf Laufen umstellen können. Nach 5 km ist damit schlagartig Schluss. Die ersten 800 Höhenmeter am Stück stehen an. Ab jetzt heißt es den Rhythmus zu finden. Ich komme mir langsam vor, die anderen Teilnehmer um mich herum sind aber auch nicht wirklich schneller. In Mürren dann noch ein letztes flacheres Stück. Touristen und Einheimische feuern mich an. Ich bin guten Mutes. Es sind ja nur noch knapp 10 km. Hinter Mürren ist die Baumgrenze erreicht. Es wird immer steiler. Laufen ist schon lange nicht mehr möglich, sondern nur schnelles Gehen. Es ist nebelig und windig und mit jedem Höhenmeter fällt die Temperatur. Ich ziehe mir die Windweste wieder über, trotzdem friere ich. Endlich, der letzte Kilometer wird angekündigt. In der Ferne höre ich schon die Lautsprecherdurchsagen. Sehen kann ich nichts. Die Nebelsuppe ist zu dick. Es wird noch mal steiler. Immer öfter muss ich meine Hände zum festhalten einsetzen. Die sind aber eiskalt und auch die Tritte werden unsicherer. Jetzt noch ein über einen schmalen Grat passieren, Gott sei Dank gut abgesichert und dann noch eine letzte steile Treppe und das Schilthorn auf 2970 m Höhe ist erreicht. Hier oben herrschen Minusgrade. Ein paar Meter noch über die Panoramaterrasse (Welches Panorama?) und der Zielbogen ist geschafft.
Das Ergebnis: zweitrangig, erst einmal bin ich froh, dass ich sofort meinen Kleiderbeutel in die Hand gedrückt bekomme und in die warme Bergstation gehen kann.
Fazit: knapp unter 10 Stunden (9:53:39), 44. Platz bei den Männern, 12. Platz in der Altersklasse und die Erkenntnis, dass ich als Inferno-Rookie noch zu viele Fehler gemacht habe.